Die Tanne von Grossdietwil
Ein Betagter ist gefallen – Als 1830 die erste Dampfloki von Manchester nach Liverpool fauchte, als in der Schweiz zahlreiche Kantone um neue Verfassungen kämpften, damals duckte ich mich als winzig kleines Tännchen im Horben in Grossdietwil. Im äusserst fruchtbaren Waldboden erhielt ich Nahrung und wuchs und wuchs. Ich erstarkte und bald einmal duldete ich in meiner nächsten Umgebung keine Tannen mehr. Oft schritt der Förster an mir vorbei, bestaunte mich, lobte mein Wachstum, die Korporationsverwaltung wurde von Jahr zu Jahr stolzer auf mich. Holzer sprachen vor mir, und oft war mein staatlicher Wuchs das Gespräch am Tisch beim frohen Becherklang. 47 Meter hoch reckte ich meinen Kopf. Mit Verachtung blickte ich auf alle Waldbäume der Umgebung. Ich trotzte dem Sturm, dem Schnee, dem Wetter. Mancher Wanderer hielt inne, wenn er mich von der nahen Waldstrasse aus betrachtete. Aber letztes Jahr, als am 13. März 1967 die Frühlingsstürme mit Macht durch den Wald fegten, mochte ich nicht mehr standzuhalten. Der Wind warf mich unter gewaltigem Getöse auf den Waldboden. So blieb ich liegen. Noch lieferten mir 1967 die Wurzeln, die hälftig in der feuchten Walderde hafteten, Wasser und Nährstoffe.
In den letzten Tagen aber, als die Schneedecke allmählich verschwand, rückten die Holzer heran mit Beil, Motorsäge, Traktor und Flaschenzug. Und so wurde ich zersägt und auf die Strasse befördert. Hier warte ich auf den Abtransport. Der Förster ist mit meinen Massen zufrieden: 1,15 Bodendurchmesser, wahrlich nicht alltäglich. 10,4 Kubikmeter Nutzholz ergab ich, vom Brennholz nicht die Rede. Der Personalkorporationsverwaltung rühmt mich, dass ich der mächtigste Kerl in ihren Waldungen war.